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© Aargauer Zeitung / MLZ; 2003-07-08; Seite 2

Brugg

Worte und Musik zum Kantons-Jubiläum

HOTTWIL · Abwechslungsreicher zweiter Wessenberg-Tag im Aargau

Zum zweiten Wessenberg-Tag in Hottwil erschienen Gäste aus dem In- und Ausland. Auf dem Programm standen unter anderem die Tagung der Akademie sowie bei prächtigem Wetter unter freiem Himmel die Uraufführungen einer Wessenberg-Fanfare und des Theaterstückes «Auf der Suche nach dem Wessenberg». Text und Fotos von Max Weyermann

Uraufführung Hottwiler Spielleute im Stück «Auf der Suche nach dem Wessenberg» von Thomas Senn.

Die vom Ehepaar Peter Heinrich und Brigitte von Wessenberg anno 2001 gegründete Akademie verfolgt in erster Linie das Ziel, die in verschiedenen europäischen Ländern liegenden Wirkungsorte des einstigen Adelsgeschlechtes virtuell zu vernetzen und die hinterlassenen Spuren wissenschaftlich zu untersuchen und zu sichern. Hottwil im Bezirk Brugg ist der Ursprungsort derer von Wessenberg und gleichzeitig auch Gründungsort der bislang virtuell auf dem Internet existierenden Studiengemeinschaft, welche praktisch alles sammelt und auswertet, was mit der Familie und ihrem weit gespannten Beziehungskreis zu tun hat.

Geschichte als wertvoller Fundus

Der zweite Wessenberg-Tag in Hottwil (die AZ brachte am 25. Juni eine ausführliche Vorschau) begann im Mehrzwecksaal des Schulhauses mit der öffentlich zugänglichen Tagung der Akademie.

Der aus dem österreichischen Innsbruck angereiste Freiherr Peter Heinrich von Wessenberg konnte dazu Gäste aus nah und fern begrüssen, darunter eine Delegation aus der Stadt Konstanz (mit Stadtrat Heinrich Everke an der Spitze), Bürgermeister Franz Ressl aus Purgstall an der Erlauf, Erich Hänggi, alt Gemeindepräsident von Burg im Leimental, den ehemaligen Aargauer Grossratspräsidenten Peter Müller, den Brugger Stadtammann Rolf Alder sowie die Verwandten Theresia Anwander aus Bregenz (Cousine), Roger Massey, Kabinettchef beim Europaparlament in Strassburg (Cousin), und den Kunstmaler und Bildhauer Johannes Dörf-linger, welcher das Bild «Wessen berg» des offiziellen Festplakates gestiftet hat.

Hierauf stellte Hottwils Gemeindeammann Robert Keller den Gästen das 250-Seelen-Dorf vor, und Historiker Max Baumann, Stilli, Autor der im Entstehen begriffenen Hottwiler Ortsgeschichte bis 1800, gewährte in einem interessanten Referat Einblick in seine umfangreiche Forschungsarbeit im In- und Ausland.

Vom Mittelalter zum Wiener Kongress

In diesem Zusammenhang kam er auch auf die Wessenbergs zu sprechen, deren Name in der Gegend erstmals im Jahre 1207 in einer historisch gesicherten Urkunde auftaucht. Aus dieser Zeit, in welcher Arnold von Wessenberg lebte, sind nicht mehr viele Dokumente vorhanden, aber aus der Hottwiler Wirkungsphase des in Diensten der Habsburger stehenden Geschlechts zwischen 1250 und 1450 liegt ein reicher Fundus vor, der mit in die Ortsgeschichte einfliessen wird. Nach dem Wegzug der letzten Herren von Wessenberg eroberten 1468 Berner Truppen das Gebiet und blieben bis 1798 hier.

Peter Heinrich von Wessenberg ging in einem anforderungsreichen, spannenden Diskurs auf die Tätigkeit des aus der Schweiz stammenden österreichischen Diplomaten und Politikers Johann Philipp Reichsfreiherr von Wessenberg-Ampringen (1773 bis 1858) ein, der in den Verhandlungen beim Wiener Kongress die von Kaiser Napoleon für den Aargau ursprünglich «willkürlich» festgelegten Grenzen sichern konnte.

Franz Ressl, seines Zeichens Bürgermeister der niederösterreichischen Marktgemeinde Purgstall an der Erlauf, verwies darauf, dass der 1942 verstorbene Pierre Maria Baron von Wessenberg seine letzten Lebensjahre in diesem Ort verbracht hat. Im Weiteren ist das in der Nähe von St. Pölten gelegene Purgstall das erste österreichische Bücherdorf. Scheinbar ausgediente Bücher werden hier nicht einfach weggeworfen, sondern unter der Ägide des Ortsverschönerungsvereins gesammelt und zu günstigen Preisen wieder verkauft.

Der Wiener Geograf Arthur Spiegler, Leiter der österreichischen Sektion von Ecovast, des europäischen Verbandes für das Dorf und die Kleinstadt, erklärte dessen Ziele. Die Organisation fördert unter anderem den ländlichen Raum und Kulturpfad-Verbindungen zwischen Orten mit gleicher Thematik. In diesem Sinne zeigte er auch grosses Interesse für den wieder «reaktivierten» historischen Flösserweg zwischen Rhein und Aare, der oberhalb Hottwils vorbeiführt.

Zum Abschluss wurden die beiden Historiker Kurt Stoessel und Max Baumann sowie die für die Presse zuständige Journalistin Lis Frey von Peter Heinrich von Wessenberg zu Ehrenmitgliedern der Wessenberg-Akademie ernannt

Ehrung Peter Heinrich von Wessenberg mit den neuen Ehrenmitgliedern der Akademie: Ehrenpräsident Kurt Stoessel, Lis Frey und Max Baumann (von links)

Kulturelles Rahmenprogramm

Nach der Tagung begaben sich die Akademie-Teilnehmer zum Apéro mit Wessenberger-Wein im Hottwiler Rebberg und anschliessend auf dem Flösserweg zum Festgelände, wo die Veranstaltung mit kulturellen Darbietungen und gemütlichem Beisammensein bei Speis und Trank ausklang. Als Präsentatorin wirkte hier Ursula Hirschi, Vizeammann, Mandach.

Auf dem so genannten Turnierplatz neben der einstigen, heute nicht mehr sichtbaren Burg der Wessenberger intonierte die Mandacher Brassband unter der Leitung von Arrangeur und Dirigent Toni Killer in einer Uraufführung mit Erfolg die «Wessenberg-Fanfare» und die «Hymne an den Aargau» aus der Feder des TV- und Filmkomponisten Rolf Wehmeier, Melk an der Donau. Diese Stücke finden sich auch auf einer eigens in limitierter Auflage herausgegebenen CD mit dem Titel «Wessenberg-Suite», auf welcher folgende weitere Titel enthalten sind: «Versunkene Wessenburg», «Hügel um Mandach», «Rebgärten von Hottwil», «Sonne im Mettauertal», und «Der alte Flösserweg».

Auf dem ehemaligen Burghügel stimmte Susanne Foucault aus Löffingen im Breisgau unter dem Titel «Eine musikalische Reise in die Vergangenheit» mit selbst auf Laute und Theorbe begleiteten Gesangdarbietungen auf die Uraufführung des Theaterstücks «Auf der Suche nach dem Wessenberg» ein.

Stimmungsvoll Susanne Foucault singt zum Spiel der Theorbe.

Link: Programm der Künstlerin

Uraufführung auf dem Turnierplatz

Acht Hottwiler Spielleute gaben in dieser vierzig Minuten dauernden Geschichte in vier Szenen unter freiem Himmel ihr Bestes und vermochten die rund 150 Gäste zu begeistern. Regisseur Thomas Senn, Gansingen, hat dieses Stück nach Inhalten aus einem Trauerspiel von Ignaz Heinrich von Wessenberg, Bischof von Konstanz, verfasst. Neben dem Hofnarren (Frank Stoll) und der Verena, Tochter des Mandacher Langenlohhofbauern (Stefanie Walder), kommen darin diverse «illustre» Personen wie Landvogt Gessler (Simon Deppeler), Wilhelm Tell (Oliver Kalt), Freiherr von Wessenberg (Hansjörg Pfiffner) und seine Gattin Mechthilde (Maja Petrus), Kaiser Rudolf von Habsburg und Bischof Ignaz Heinrich von Konstanz (in einer Doppelrolle verkörpert von Rolf Gärtner) sowie eine Zofe (Petra Oberholzer) vor.

Die amüsante und zum Nachdenken anregende Handlung dreht sich um politische und gesellschaftliche Inhalte, so unter anderem um die Vermittlung zwischen Eidgenossen und Habsburgern, aber auch um den Traum Wessenbergs, welcher den Lebenssinn zu verlieren droht und einen Ausweg als Kolumbus sieht, der die Welt entdecken will. Das Stück klingt mit einem Happy End aus, indem das adelige Paar Wessenberg sein Geld in die Zukunft der jungen Menschen investiert und so wieder zu sich findet.

Zu später Stunde stand eine letzte Überraschung des Tages auf dem Programm, und zwar erschien in der mondhellen Nacht - wie in einer bekannten Hottwiler Sage geschildert - ein ehemaliges Burgfräulein (gespielt von Janine Wernli). Der im Jahre 1150 als erster «offizieller» Hottwiler erwähnte Noggerus Villicus de Hotiwilare (gespielt von Dorfhistoriker Hans Vogt) gab dazu seinen Kommentar ab.