Biografie von Johann  Philipp von Wessenberg

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Johann Philipp von Wessenberg, der älteste Sohn von Carl Philipp von Wessenberg und Gräfin Marie Walpurga von Thurn-Valssasina zu Wartegg wurde am 28. November 1773 in Dresden geboren. Sein Vater war zu dieser Zeit (1769-75) Konferenzminister und Oberhofmeister bei Kurfürstin Amalie. Im Jahre 1776 legte Carl Philipp diese Ämter nieder und kehrte mit seiner Familie nach Breisgau in sein Schloss Feldkirch (nahe Hartheim) zurück. Der Einfluss des Vaters und auch des noch lebenden Großvaters Rupert Florian von Wessenberg war für die Kinder Johann   Philipp, für seine Brüder Ignaz Heinrich (ein Jahr jünger) und Aloys (3 Jahre jünger) von großer Bedeutung. Die Mutter starb leider sehr früh nach der Geburt des 5. Kindes Josefine 1881. Die Erziehung der noch sehr jungen Kinder übernahm der Vater selbst. (Er heiratete erst 7 Jahre später noch einmal: Freiin Franziska von Schauenburg) Carl Philipp nahm die älteren Knaben auf Reisen in den Schwarzwald und an den Bodensee mit. Dort lebte auf Schloss Wartegg noch die Großmutter , Freiin von Baden. Die Kinder kamen mit einer Menge hochberühmter Personen in Kontakt, darunter den Verwandten von Seite Baden und Thurn Valsassina, von denen einige hohe kirchliche und weltliche Funktionen innehatten, aber ebenso begegneten sie z.B. Lavater, Gessner und Füssli.

Während der französischen Revolutionsjahre verfolgte Johann von Wessenberg  mit Interesse die Entwicklungen in Frankreich, die in seiner Familie mit den zahlreichen Besuchern aus dem In- und Ausland lebhaft diskutiert wurden.  Emigranten aus Frankreich schlugen in diesen  Jahren auf Schloss Feldkirch, das nahe der Grenze zu Frankreich liegt, eine Art Hauptquartier auf, daher entschloss sich der Vater Carl Philipp, die Söhne zu ihrer Weiterbildung anderwärts unterzubringen. Er schickte Johann und Ignaz nach Augsburg, später studierte Johann  in Freiburg, Strassburg und Wien.

Johann als junger Student

Im Jänner 1794 starb der Vater, so wurde Johann von Wessenberg  erst 21 jährig das Haupt der Familie. Er trat als Assessor in den vorderösterreichischen Staatsdienst ein und wurde 1799 ins Hauptquartier der französischen Armee in die Schweiz entsandt, später befand er sich im Hauptquartier des Erzherzogs Karl in Stockach, dann in der Ostschweiz und in Konstanz, darauf folgend  war er als Kriegsberichterstatter unter General Kray und Thugut. Er erlebte die Niederlage Österreichs unter Leitung des jungen Erzherzog Johann mit. Unter den beiden jungen Männern entwickelte sich eine Freundschaft, die über das ganze weitere Leben anhielt und sich verfestigte. Johann von Wessenberg war  bei den Bemühungen Erzherzogs Karl, die für Österreich unglückliche Situation einigermaßen glimpflich diplomatisch zu lösen dabei und erhielt vom Erzherzog ein warmes Empfehlungsschreiben, welches die Grundlage seiner späteren diplomatischen Laufbahn werden sollte.

Diese begann mit einer Gesandtschaft nach Berlin (1801)  und Paris (1802/03) zur Schweizer Mediationszeit und schließlich mit einer Anstellung in Frankfurt (1803) als Minister-Resident. Dort vermählte er sich mit Erlaubnis des Kaisers mit der noch sehr jungen und schönen Marie Gertrude, der Tochter des eh. Geheimen Finanzrates des Kurfürsten von Trier, Heinrich Mülhens. In diese Zeit fällt die durch Napoleon beschlossene Hinrichtung des Herzogs von Enghien, der eines der Emigranten auf Schloss Feldkirch war. Wenig später kam es zur Gründung des Kaiserreichs in Frankreich. Johann von Wessenberg nahm am Empfang Napoleons in Mainz teil, um  die wirklichen  Beweggründe für Napoleons Reise nach Deutschland zu ergründen und nach Wien zu berichten zu können.

   Herzog von Enghien

1805 war er Gesandter nach Kassel zum Kurfürsten von Hessen und sah sich in dem Spannungs- und diplomatischen Vorfeld und schließlich mitten im  3.  Krieg mit Napoleon. Österreich war mit Russland, England und Schweden verbündet. Napoleon zwang Österreich bei Ulm zur Kapitulation, nahm Wien ein und siegte in der Dreikaiserschlacht bei Austerlitz (Slavkov u Brna, Tschechische Republik) Ende des Jahres 1805. Der Friede von Pressburg beendete diesen Krieg. 1806, im Jahre, als  Johann von Wessenberg eine Tochter geboren wurde, kam es in Kassel zu einer gewaltsamen Übernahme des Kurfürstentums durch die Franzosen. Dies bedeutete  für Johann von Wessenberg das Ende der Kassler Gesandtschaft. Das Kurfürstentum wurde 1807 Königreich Westphalen unter Jérome Bonaparte.

1808 - in diesem Jahr wird Johanns zweite Tochter Ludovika geboren - wird Johann als Gesandter nach Berlin bestellt, um  den Anschluss Preußens an Österreich auf diplomatischem Wege zu forcieren. König Friedrich Wilhelm aber hatte bereits Fühler nach Russland ausgestreckt und war an der diplomatischen Mission Österreichs nicht interessiert. 1809 erhielt Johann über Graf Stadion die Nachricht, Tirol sei für Österreich zurück gewonnen worden. Wenige Monate später hatte Erzherzog Karl einen großen Sieg über Napoleon bei Aspern erfochten. Die Verhandlungen, die Johann von Wessenberg in Berlin führte, schleppten sich aber dahin, der König konnte sich nicht entschließen mit Österreich gemeinsame Sache zu machen. Da traf die Nachricht von der für Österreich verlorenen Schlacht von Wagram ein. Der Friede von Schönbrunn von 1809 trennte die Monarchie vom Meer ab und gab Tirol preis. Die Folge war eine Zerrüttung der Staatsfinanzen. Johann von Wessenbergs letzte Mission in Berlin war die Bekanntgabe der Verlobung der Tochter des Kaisers Franz von Österreich, Marie Luise, mit Napoleon im Jahre 1810.

In seinem privaten Leben änderten sich für Johann von Wessenberg die Besitzverhältnisse: er erhielt 1809 das Incolat für das Schloss Diettenitz in Böhmen und veräußerte seine Besitzungen im Oberelsass.

1811 konnte er sich über die Geburt seines Sohnes Heinrich freuen, ehe er nach als Gesandter nach München kam. König Maximilian Josef war gegen Frankreich freundlich eingestellt, da er in seiner Jugend in französischen Diensten gestanden  und zudem seine Tochter sich mit Eugen Beauharnais, Napoleons Stiefsohn, verheiratet hatte. Wieder also hatte Johann von Wessenberg sich mit einem gegen ihn gerichtetem Spannungsfeld auseinander zu setzen. Es gelang ihm allerdings, sich beim König und dessen rechter Hand,  Montgelas,  Hochachtung und Sympathien zu verschaffen, was durch Kronprinz Ludwig, der bei Johann von Wessenberg in Frankfurt Gast gewesen war, verstärkt wurde. Obwohl nicht direkt damit diplomatisch zu tun, verfolgte er doch mit großer Aufmerksamkeit  die Nachrichten über den russischen Feldzug Napoleons im Jahre 1812.

1813, zu der Zeit, als Napoleon seine Niederlage in Russland erfahren hatte, wurde Johann von Wessenberg - als einer der "ausgezeichnetsten" Unterhändler des österreichischen Hofes -  nach England entsandt, um zu erkunden, ob England gesonnen wäre, einem allgemeinen Friedenbeschlusse nahe zu treten und die dortige Regierung dahin zu bringen, auf die Gedanken Metternichs einzugehen und sich dessen Vermittlung zu bedienen. Der Gedanke war, Österreich nicht mehr zum Kriegsschauplatz werden zu lassen. In England war man auf Krieg eingestellt, die Friedenswünsche Österreichs machten misstrauisch. Vom Wiener Hof hinderte man zudem die englische Mission von Johann von Wessenberg durch Verzögerung oder Nichtbeantwortung von Depeschen, was zu einer großen Verärgerung in London führte. Schließlich teilte Metternich Johann von Wessenberg mit, dass Österreich inzwischen der Allianz gegen Napoleon beigetreten sei.  Im August 1813 schloss sich Österreich den verbündeten Russen, Preußen und Schweden an. Unter dem Oberbefehl von Karl Fürst zu Schwarzenberg wurde Napoleon im Oktober in der Völkerschlacht bei Leipzig entscheidend geschlagen. Trotz der Gereiztheit, die besonders der Außenminister Castlereagh gegenüber Metternich hatte, entschloss sich dieser zu einer Fahrt nach dem Festlande zum Hauptquartier der Allianz. Die verbündeten Heere rückten in Frankreich ein und Napoleon wurde im Pariser Frieden zur Abdankung gezwungen. Anfang 1814 verließ auch Johann von Wessenberg England. Auf der Heimreise wurde er in Frankreich von marodierenden Volk angegriffen und ausgeraubt und gelangte schließlich ins Hauptquartier Napoleons, der Johann von Wessenberg "befreite" und die Gelegenheit zu einem langen diplomatischen Gespräch wahrnahm.

  Johann beim Wr. Kongress

Johann von Wessenberg wurde im Anschluss nach Mailand entsandt, um sich über die  lombardischen Finanzen, insbesondere jene den Monte Napoleon betreffenden, einen Überblick zu verschaffen. Aus Mailand zurückgekehrt wurde er als Wirklicher Geheimer Rat zum Vizepräsidenten einer Hofcommission für die illyrischen und italiensichen  Provinzen ernannt. In dieser Funktion konnte er für Kaiserin Marie Louise und für deren Schwägerin Elisa, der ältesten Schwester Napoleons, so weit dies möglich war, eintreten.

1814/15 wurde Johann von Wessenberg als 2. Bevollmächtigter am Wiener Kongress berufen. Dieser Kongress teilte  Europa neu ein.

Die Hauptresultate des Kongresses waren

  • Frankreichs gibt seine 1795 - 1810 annektierten Gebiete zurück, bleibt aber Großmacht in den Grenzen von 1792.
  • Preußen verzichtet auf Polen und  gewinnt Westfalen und das nördliche Rheinland.
  • Russland vergrößert sein Territorium auf Kosten von Polen.
  • Deutschlands  Einzelstaaten werden neu gegliedert. Der lockere Deutsche Bund souveräner Staaten entsteht.
  • Die deutschen Staaten Bayern und Hannover werden vergrößert, während Sachsen wegen seines früheren Bündnis mit Frankreich nördliche Gebiete an Preußen verliert.
  • Österreich erwirbt u.a. die ehemalige Republik Venedig dazu.
  • Die früher österreichisch beherrschten südlichen Niederlande (in etwa das heutige Belgien) werden den Nordniederlanden einverleibt und bilden damit das vereinigte Königreich der Niederlande.

Für seine überragenden Leistungen beim Wiener Kongress erhielt Johann von Wessenberg von Kaiser Franz das Großkreuz des St. Stephanordens.

Die 100 Tage der Rückkehr Napoleons änderten nichts an den Zielen des Wiener Kongresses.  Blücher und Wellington stellten in Belgien je ein Heer auf, Napoleon schlug Blücher und wurde von Wellington besiegt. Beim Entscheidungskampf von Waterloo erlebte er dann seine endgültige Niederlage. Die Alliierten zogen erneut in Paris ein, und Napoleon wurde nach St. Helena verbannt. Er starb 1821.

Die Regelungen des 2. Pariser Frieden wurden gegenüber dem ersten  nun deutlich verschärft: Frankreich wurde auf die Grenzen von 1790 reduziert.  Es musste  neben den Zahlungen von Kriegsentschädigungen über einen Zeitraum von drei bis fünf Jahren eine alliierte Besatzungsarmee in Frankreich akzeptieren und finanzieren. Ansonsten sollte der Vertrag von 1814 ebenso wie die Beschlüsse des Wiener Kongresses weiter Gültigkeit haben, sofern der Vertrag von 1815 nichts anderes vorsah.

Auch die Mitarbeit an den Verhandlungen am 2. Pariser Frieden brachte Johann von Wessenberg eine Auszeichnung, das Civil-Ehrenkreuz in Gold.

1815 leitet Johann v. Wessenberg  die Territorialkommission in Frankfurt. Deren Hauptaufgabe bestand darin, auf dem Wege friedlicher Vereinbarungen die gegenseitigen Gebietsausgleichungen zwischen den einzelnen Staaten  zu erreichen. (z. B. Österreich/Bayern, Österreich/Holland, Bayern/Baden,..)

Johanns Bruder Ignaz Heinrich, der im süddeutschen Raum wegen seines milden, echt priesterlichen Wesens und seiner Wohltätigkeit in größtem Ansehen stand und durch das Domkapitel  zum Bischof von Konstanz gewählt worden war, hatte Probleme damit, dass Rom  diese Wahl nicht anerkannte. Johann setzte sich 1817 für seinen Bruder ein und  versuchte alle erdenklichen diplomatischen Schritte, um die Hindernisse zu beseitigen. Es gelang ihm nicht. Das Bistum Konstanz wurde aufgelöst. Ignaz Heinrich blieb noch 10 Jahre als Bistumsverweser und zog sich dann in ein gelehrtes Privatleben zurück.

1820 beendete Johann von Wessenberg seine Arbeiten in der Territorilakommission. Er ließ sich für längere Zeit beurlauben und kehrte in sein Schloss im Breisgau und zeitweise auf das Große Schloss Diettenitz in Böhmen zurück, im Winter allerdings nahm er Wohnung in Freiburg. Während dieser Zeit heirateten seine beiden Töchter. Henriette vermählte sich 1827 mit dem Grafen Clemens Wenzel von Boos-Waldeck. Das Paar schenkte Johann von Wessenberg den ersten Enkel, Heinrich. Ludovica vermählte sich 1830 mit Graf Georg von Blankensee. Anfang des Jahres 1830 starb Aloys, Johanns jüngster Bruder, was Johann seinem Bruder Ignaz mit sehr bewegten Worten mitteilt. Der Urlaub endetet für Johann nach 10 Jahren Zurückgezogenheit im gleichen Jahr.

Ausgelöst durch die französische Julirevolution von 1830, formierte sich nämlich im   Königreich der Niederlande eine breite Volksbewegung, die einen unabhängigen Nationalstaat anstrebte, weil die  Unterschiede zwischen den protestantischen Norden und dem katholischen Süden unüberwindbar schienen. Metternich berief in dieser schwierigen Situation Johann von Wessenberg als einzig richtigen Mann für die Gesandtschaft nach "dem Haag". In dieser Funktion nahm er gemeinsam mit Fürst Esterhazy  und  u.a. auch mit den Vertretern der anderen Großmächte Talleyrand, Lord Palmerston, Lord Grey, Heinrich v. Bülow und Fürst Lieven sowie dem Vertreter der Niederlanden, Graf von Falck, an der Londoner Konferenz teil. Aus eigenem Entschluss, ohne Wien einzuschalten,  stimmte Johann von Wessenberg der Unabhängigkeit des katholischen Südens (Belgiens) zu. Nach langen Überlegungen kam man 1831 zum Entschluss, Leopold, den Prinzen von Sachsen-Coburg, den Johann von Wessenberg protegiert hatte, zum König von Belgien zu bestimmen. 

Über diese Konferenzen kam es zu einer schweren Verstimmung mit Metternich und mit dem Kaiser, die sich bis zum Jahre 1834 hinzog, wo Johann von Wessenberg in seine breisgauische Heimat zurückkehrte. Er hatte einige Jahre später aber noch die Genugtuung, dass 1839 die Unabhängigkeit Belgiens unter zähem Ringen  dennoch in seinem  (und nicht in dem von Metternich)  von den europäischen Großmächten und den Niederlanden  anerkannt wurde.

Seine Familie hatte sich mittlerweile um zwei weitere Enkelkinder erweitert: Philipp von Boos-Waldeck wurde 1831 und Auguste von Blankensee 1834 geboren. 1835 heiratete Johanns Sohn Heinrich Ludovine von Schauenburg-Herlisheim. Im gleichen Jahr starb Kaiser Franz und Johann von Wessenberg wurde, nunmehr fast 62 Jahre alt, in den Ruhestand versetzt.

Der Ruhestand war für Johann von Wessenberg - wie der für seinen Bruder Ignaz Heinrich auch - voll gefüllt bis an den Rand mit schriftlichen Arbeiten: Reisebücher, Studien über seine Zeitgenossen, Denkschriften zu den politischen und kulturellen Ereignissen seiner Zeit, alles Werke, die gewissermaßen "zu historischen Denkmälern von unvergänglicher Bedeutung"(Zit. Zwiedineck) geworden sind; sie sind in den verschiedensten Archiven in Europa  erhalten geblieben. 1843 musste er den Tod seiner erst knapp 45-jährigen Tochter Ludovika beklagen. Sehr  häufig war er mit seinem Bruder gemeinsam auf langen Reisen. Die aktuelle Politik beobachtet er  immer noch mit großer Anteilnahme. So bemerkte er bereits 1836 die ersten aufkommenden "Lüftchen", die dem großen Sturm der 1848-Revolutionen vorausgingen.

Am Beginn des Jahres 1848 verlor Johann von Wessenberg seinen Sohn Heinrich, der erst 37-jährig verstorben ist und seine Frau mit den zwei  noch jungen Kindern Olga geboren 1836 und Philipp geboren 1837 zurückließ. Auch Johanns geliebte Schwester Josephine war zu Beginn des Jahres 1848 gestorben. Er selbst war seelisch und gesundheitlich sehr angeschlagen. Doch das Jahr 1848 hatte  politisch noch einiges für Johann von Wessenberg bereit.

Angesichts der Forderung nach einer demokratischen Verfassung war die Erschütterung durch die franz. Februarrevolution 1848 in Österreich sehr stark. Schon zu Beginn des Jahres war es in den italienischen Provinzen zu blutigen Ausschreitungen gekommen  und Österreich verhängte in der Lombardei den Kriegszustand.  L. Kossuth, Führer der ungar. Opposition, forderte zu gleichen Zeit für Ungarn eine moderne Verfassung. Im März brach in Wien die Revolution aus, die den Sturz Metternichs erzwang. Auch in Venedig und Mailand kam es zu Tumulten, die von Radetzky niedergeschlagen wurden. Ungarn erhielt ein liberales Ministerium und schließlich sogar eine eigene Verfassung.  Im Mai  kam es zu neuerlichen Unruhen in Wien durch Nationalgarden, Studenten und Arbeiter. Die kaiserliche Familie floh nach Innsbruck. Auch in Prag griffen Revolutionäre zu den Waffen, ihr Aufstand wurde durch Fürst Windisch-Graetz blutig niedergeschlagen.

In dieser Zeit wurde Johann von Wessenberg wegen seines großen Wissens und seiner Erfahrung unter Beifall vieler Staatsmänner als Außenminister nach Wien berufen - obwohl er sich selbst viel zu alt und krank für dieses Amt fühlte.  Erzhzg. Johann sollte ebenfalls nach Wien als Vertreter des Kaisers, konnte diese Position aber wegen seiner Berufung als "Reichsverweser" nach Frankfurt  nicht in der gewünschten Weise ausfüllen. Er betraute  Doblhoff  mit der Bildung eines  demokratisch gesinnten Ministeriums und begab sich gemeinsam mit Johann von Wessenberg, der inzwischen auch noch in das Amt des Ministerpräsidenten inne hatte, zum Reichstag nach Frankfurt.  In Wien zurück stellten sich Johann von Wessenberg eine Reihe von großen Problemen. Es gelang, die Bauern durch die  Aufhebung der bäuerlichen Untertanenlasten für die Krone zu gewinnen. Auch in Italien bekam Österreich nach dem Sieg Radetzkys über die sardinischen Truppen die Oberhand und gewann die Lombardei zurück. Im August kehrte das Kaiserpaar nach Wien zurück. Wenig später  stand Wien aber erneut im Zeichen eines Aufstands, der dieses Mal von der Stadtgarde unterdrückt wurde. Die sich krisenhaft zuspitzende Lage in Ungarn wirkte auf Österreich zurück, und im Oktober  kam es in Wien wieder zu Kämpfen, den schlimmsten seit Beginn der Revolution, bei denen der Kriegsminister Graf Latour von der wütenden Menge gelyncht wurde.

Johann von Wessenberg konnte sich mühsam aus der Menge retten. Von seinem Sekretär Isfordink begleitet, gelangte er auf mühevollen Wegen nach Olmütz, wohin das Kaiserpaar geflüchtet war. Dort nahm Johann von Wessenberg  die Regierungsgeschäfte wieder auf, bereitete aber eigentlich nur noch einen wohlgeordneten  Rücktritt zu Gunsten Schwarzenbergs vor. Kaiser Ferdinand der I., der sich mit einem persönlichen Besuch bei Johann von Wessenberg bedankte und verabschiedete, dankte wenig später zu Gunsten seines Neffen  Franz Joseph I. ab. Dieser stützte sich auf eine  zentralistische, auf dem Boden des monarchischen Prinzips stehenden Verfassung.  Mit der Kapitulation in Ungarn und Venedig im August und September 1849 endete die Revolution in Österreich endgültig.  Obwohl die Revolution ihre Ziele eigentlich nicht erreicht hatte, machte sie doch letztlich den Weg zu einer Verfassungsänderung frei, und nach einer Periode des Neoabsolutismus erhielt in den 60er Jahren auch die Habsburgermonarchie eine konstitutionelle Verfassung.

Mit dieser Periode endete die staatsmännische Laufbahn von Johann von Wessenberg. Ende des Jahres verließ er Wien und lebte noch etwa 10 Jahre im Breisgau als Privatmann. Im Jahre 1855 starb seine Frau Marie Gertrude nach zwei Schlaganfällen. Sie war in all den Jahren seines unruhigen Lebens eine gute, unkomplizierte Partnerin. Reichtum erlaubte ihr ein selbständiges teilweise recht verschwenderisches Leben mit Reisen und  Teilnahme am gesellschaftlichen Leben. So konnte sie sich mit den langen Abwesenheiten ihres Mannes arrangieren. Außerdem war sie eine perfekte Gastgeberin, in dem Haus der Wessenbergs gingen unzählige hochrangige Besuche ein und aus, Politiker und Staatsmänner, Prinzen und sogar Könige.

Johann von Wessenberg erlebte noch den Tod seiner Tochter Henriette im Jahre 1856. Seine verwitwete Schwiegertochter Ludovine wohnte  bei ihm. Doch auch sie starb im Jahre 1857. Er selbst starb 1858  und wurde in Freiburg beigesetzt. Als Teile seiner Familie mit seinem Namen gab es nur noch seine Enkel Philipp und Olga. 2 Monate nach seinem Tod wurde Pierre Maria de Wessenberg, Sohn der Olga, in Paris geboren. Auf ihn ging letztlich das Erbe der Güter nach dem Tod seines Onkel Philipp an Sohnes statt im Jahre 1866 über. Das Schöne daran ist, dass die über 20 ausführlichen Tagebücher von Pierre, der wie der Vater von Johann Prinzenerzieher war, von Lebenseinstellungen und feinsinnigen Gedanken, von Schicksalsschlägen und aufrechten Haltungen berichten und genaue köstliche Beschreibungen von Land und Leuten enthalten, die teilweise so abgefasst sind, als ob Johann von Wessenberg sie geschrieben hätte. So ist dieser im Sterbejahr geborene Pierre mehr als es der Sohn Heinrich, und mehr als es der Enkel Philipp je war, ein würdiger, geistig ebenbürtiger Nachfolger seines Urgroßvaters geworden.