Buchpräsentation “BILDERFINDUNG“ von JOHANNES DÖRFLINGER

 

Rede von Prof. Peter Heinrich von Wessenberg zur

am 5. Juli 2003 in Zurzach, in der Buchhandlung Marianne Hübscher

 

Ein jeder Mensch findet Bilder, aber nur wenige Auserwählte sind zu Bild-Erfindung berufen!

 

Eine kleine verschämte Hommage an einen großen Mann. Er heißt nicht Gozo und er wohnt nicht nur in Kostnitz, aber mit beiden hat er eine Beziehung. Sie ist lebensförmig, also ausgedehnt auf Zeit und Raum und Person.

Zuerst stand er da – vor mir – groß und dann saß er neben meiner Frau und er hat sich eingefunden, er ist etwas gewesen, was man immer schon gemocht hat, ein Wesen, das gut sein wirklich gut machen kann, in der Physiognomie, im Körperlichen, im Reden, in der warmen und behutsamen Sprache. Die Worte schwingen ein bisschen und sie scheinen noch da zu sein, wenn er weg ist.

Es ist tatsächlich wie mit einem Magier. Aber ein Unterschied zum Magier ist der, den Magier zu kennen oder mit dem Magier bekannt zu sein. Noch kann ich nicht sagen, wie das ist mit dem Unterschied, denn der Dörflinger, von dem wir hier reden sollen, dürfen, wollen, mögen, der ist wie seine Bernsteine, einmal hell und dann dunkel, einmal im Denkstrahl, dann im Kopfgeist und plötzlich im Körpergeist. Und dann weiß ich es oder ich glaube es zu wissen: Unterscheiden kann man da gar nichts. Kann man das „Zurückstrahlen“ von einem Sinnbild von großer Kraft und Einfachheit unterscheiden – von was und bitte von wem?

In der Aargauer Zeitung gab es neulich eine Sonderbeilage zum 200 Jahr-Jubiläum und ein Thema war die „Heimat Aargau“. Im Schlusswort eines Artikels von Max Dohner über den „Unverdienten Schrecken für ein Dorf“, gemeint ist ein riesiger Wohnblock, da steht geschrieben: „Mit jenen Leuten, die schon lange an der Bahnhofsstrasse im Block wohnen haben wir überhaupt keine Probleme, sagt die Verwaltung". Heute leben eben die Ähnlichen beieinander. Ähnlichkeit: eine Maxime, die zweifellos taugt im aargauischen Spreitenbach.

Wie komme ich dazu und wieso spreche ich davon in Beziehung zum Künstler und seinem Buch, seinen Bildern?

Der gescheite Siegfried Gohr hat zu Dörflingers Bildern in seinem brandneuen Werkband Folgendes geschrieben und da lese ich:

„Magie und Astrologie bilden nach Walter Benjamin vergangene Handhabungen von Ähnlichkeiten, aber sie haben einen Geschichtsraum hinterlassen, der sich auch heute noch bearbeiten und einsetzen lässt. Daran arbeitet Dörflinger." Und weiter heisst es: „dass es Zeiten gab, wo Ähnlichkeiten herzustellen den Menschen ein selbstverständliches Vermögen war" (zum Beispiel im 16. Jahrhundert als die Ursula von Wessenberg den Paul von Mülinen heiratete. )

Jetzt habe ich den Sack geöffnet und es fließen aus den von den Wessenbergs hinterlassenen Geschichtsräumen ein Rot und ein Gelb, es beginnt zu glühen in der Leidenschaft und im Wissen der Vernichtung. Wenn wir Dörflingers "Wessenberg" vor unsere Augen stellen, dann ist Liebe und Tod, geistige Erleuchtung, nicht allein Reichtum oder Macht, sondern vielmehr die Erscheinungsform von Göttern präsent. Und sind wir am Wessenberg nicht im alten keltischen Urgrund, am Tor zur Anderwelt -  autre monde. Und können wir uns nicht in der Wessenbergsage die Symbolik der Alchimisten vorstellen, das lebendige Gold, das seine Energie aus widerstrebenden Kräften bezieht – die Voraussetzung für den Gestaltwandel, der Metamorphose, sind. So oder ähnlich formulierte es auch der Laudator Bernd Storz bei der Vernissage in Walddorfhäslach im November letzten Jahres.

Ich will Ihnen keine Belehrung zur Kunst geben, das wäre Anmaßung. Einmal habe ich als junger leidenschaftlicher Kunstfreund und damals in der Lyrik verhaftet, da habe ich in Begeisterung von Farbe und Form hineingedichtet und ich weckte bei dem Maler Erstaunen und ich entdeckte in mir Erschrecken. Die Macht der Bildermagier ist größer als man vermuten mag. Lassen Sie sich dennoch darauf ein und ich verspreche Ihnen, dass Sie es nicht bereuen. Viel habe ich schon von Dörflinger geschenkt bekommen, Sonnenstrahlen von Kostnitz im Spätherbst und ich bekam und bekomme immer wieder die Gewissheit durch die Bilderwelt, dass ich mit Dörflinger oft gemeinsam weit zurück in die Geschichte einkehre, die als unbewusste Erfahrung in der Seele des Menschen verankert bleibt.

Johannes, der Wessenberg ist ein Mal im wiederbesetzten Geschichtsraum, wo Ähnliches zu Ähnlichem finden mag und kann. Du hast einmal in New York als Kunstlehrer gelebt und da waren für dich Perspektiven und ich empfinde sie mit dir und Ihnen nochmals nach, indem ich einige Sätze von Ad Reinhardt, einem Wegzeiger von Dir Johannes zum weiteren Besinnen vortragen möchte.

Und ich fordere die Anwesenden auf, schlagen sie das Buch von Dörflinger auf und blättern sie ruhig jetzt darin, jetzt während meiner in englisch gesprochenen Schlussworte.

Ad Reinhardt

An Artist, A Fine-Artist or Free-Artist

 



An artist, a fine-artist or free-artist,

An artist-as-artist,

Has always nothing to say,

And he must say this over and over again.

Especially in his work

What else is there to say?

In work or words

What in hell, on earth, or in heaven, is an artist up to

when he says he has something to say?

All artists-as artists say the same thing

The post- historic artist is the timeless artist-as artist.

The artist-as-artist is the post-historic artist.

The post-historic artist is the

artist aware of himself as artist,

aware of art-as-art,

aware of everything that is not art in art,

inside or outside art.

The only way to say what an artist- as - artist is

is to say what an artist- as - artist is not.

A fine artist by definition is not a commercial

or industrial or fashion

or applied or useful artist.

A fine, free or liberal or abstract artist

is by definition not a servile

or professional or meaningful artist.

A fine artist has no use for use,

no meaning for meaning,

no need for any need.

A fine artist has nothing to use,

has no need for any meaning,

and would not use himself or his work for anything

A fine artist by definition

does not use or need any ideas or images,

does not use or need any help,

cannot use or help anyone or anything.

Only a bad artist thinks he has a good idea.

A good artist does not need anything.