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Noch immer werden große historische Komplexe aus nationalen Geschichtsschreibungen gespeist, was zur Folge hat, dass beispielsweise die sehr bedeutsame Ausstellung „Vorderösterreich – nur die Schwanzfeder des Kaiseradlers“, eine Landesausstellung von Baden-Württemberg in den letzten Jahren, breite Felder der Familiengeschichten ausgelassen hatte, welche für diese außerordentliche und heute leider in Vergessenheit geratene sehr lange Geschichtsperiode in einem uralten Kulturraum bedeutsam gewesen wären.

Nähere Beschreibung des Forschungsthemas

Die Wessenberg in Vorderösterreich

Vorderösterreich sollte im Zusammenhang mit den in seine Geschichte eingewurzelten Wessenberg und deren angeheirateten Familien als Gestalter der politisch repräsentativen Körperschaft des adeligen Standes erforscht werden.

Alle Wessenberg, die vom 13. Jahrhundert bis zum 18. Jahrhundert erwähnt sind, lebten und wirkten in Vorderösterreich. Viele von ihnen waren mit Habsburg über Lehen oder über Heirat verbunden und hatten wichtige Regierungsfunktionen inne.

Zu erforschen sind auch die Funktionen und Tätigkeiten der mit Wessenberg durch Heirat verwandten Familien dieses Raumes:

Ampringen, Freundstein, Roppach, Krotzingen, Eptingen, Fleckenstein, Landsberg, Sickingen, d‘Ostein, d‘Andlau, Kageneck, Freyberg-Eisenberg, Thurn-Valsassina, Baden usw.

Nähere Arbeits-, Archiv-, Bibliothek- und Literaturhinweise kann die Wessenberg-Akademie vermitteln

Zur Begriffsbestimmung Vorderösterreich

Vorderösterreich (Entnommen einer Zusammenfassung von Franz Quarthal,
http://www.snl.ch/dhs/externe/protect/textes/D7351.html)

Der Name V. bezeichnet unterschiedl. hist.-geogr. Räume. Er wird häufig synonym mit "habsburg. Vorlande" verwendet, um die Gesamtheit der habsburg. Besitzungen westl. des Arlbergs und des Fernpasses unter Einschluss der schweiz., schwäb., breisgau. und elsäss. Herrschaften im Gegensatz zu den inner-, nieder- und oberösterr. (tirol.) habsburg. Ländern zu benennen. Im Elsass, Sundgau und in der Nordschweiz umfassten diese Länder den ältesten habsburg. Hausbesitz ( von Habsburg ), ergänzt um das Lenzburger und Kyburger Erbe (1264); im Breisgau, auf dem Schwarzwald und in Schwaben handelt es sich um jüngere Erwerbungen. Das Habsburgische Urbar (um 1303) gibt einen Überblick über die habsburg. Besitzungen in den Vorlanden. Zugewinnen im Breisgau und in Schwaben (1301 Burgau, 1330 Rheinfelden und Schaffhausen, 1331 Breisach und Neuenburg am Rhein, 1368 Freiburg i.Br., 1381 Hohenberg u.a.) standen gleichzeitige Verluste im Gebiet der Eidgenossen gegenüber, so dass der Schwerpunkt der Vorlande nördl. von Bodensee und Hochrhein zu liegen kam.

Mit der Ächtung Hzg. Friedrichs IV. von Habsburg auf dem Konstanzer Konzil 1415 brach die habsburg. Machtstellung westl. des Arlbergs bis auf das verpfändete Elsass fast völlig zusammen. Die Eidgenossen besetzten den Aargau und eroberten mit Baden und der Feste Stein den Regierungssitz und das Archiv der vorländ. Verwaltung. Die breisgau. und schwäb. Herrschaften konnte Friedrich IV. bis 1439 zurückgewinnen, dagegen gingen im Süden Freiburg im Üechtland (1452), Rapperswil (1458) und der Thurgau (1460) verloren, während wiederum der Erwerb von Bregenz (1451) und der Landgrafschaft Nellenburg (1465) Habsburgs Position in Schwaben stärkte. Der Verlust auf dem Gebiet der Eidgenossenschaft und der endgültige Frontenwechsel Zürichs nach dem Alten Zürichkrieg (1450) hatte Folgen. Nach 1415 verlegten die Habsburger den zentralen Verwaltungssitz von Baden im Aargau nach Ensisheim im Elsass. Alle vorländ. Besitzungen wurden Tirol zugeordnet, ledigl. in Ensisheim wurde eine eigene, Innsbruck untergeordnete vorderösterr. Regierung eingerichtet. 1444 wurden die Lande "enhalb des Arl und Fern" erstmals als "obere vordere österr. Lande" benannt.

Vom 15. bis 17. Jh. bezeichnete V. aber nur die Gebiete, die unmittelbar unter der "vorderösterr." Regierung in Ensisheim standen, d.h. die vier Lande Elsass, Sundgau, Breisgau und Schwarzwald, die vier Waldstädte Waldshut, Laufenburg, Säckingen und Rheinfelden sowie Villingen und Bräunlingen am östl. Rand des Schwarzwalds. Nach dem Verlust des linksrhein. Gebiets im Westfälischen Frieden (1648) und dem Neuaufbau der Regierung in Freiburg i.Br. beschränkte sich V. auf die bisherigen rechtsrhein. Gebiete. Zu einem geschlossenen Land ist V. auf Grund seiner territorialen Zersplitterung und wegen des Fehlens einer Residenz nicht geworden. Infolge des dreimaligen Entzugs der Königswürde nach dem Tod Kg. Rudolfs von Habsburg 1291, der Ermordung Kg. Albrechts I. 1308 und der Doppelwahl Friedrichs des Schönen und Ludwigs des Bayern 1314 gelang es nicht, habsburg. Hausgut und Reichsbesitzungen zu verschmelzen.

Die Vorlande waren neben Tirol das Gebiet, in dem die Kämpfe mit den Eidgenossen am heftigsten ausgetragen wurden. In der Schlacht von Sempach 1386 (Sempacherkrieg ) hatte der vorländ. Adel nahezu in jeder Fam. Gefallene zu beklagen. Der schwäb. und der breisgau.-elsäss. Adel sahen in den Eidgenossen nicht nur einen militär., sondern auch eine sozialen Gegner und drängten die Habsburger mehrfach zu militär. Auseinandersetzungen. Der Mülhauser- und der Waldshuterkrieg wurden von vorländ. Adligen provoziert. Als Herren der Vorlande führten die Ehzg. Albrecht VI. (1418-63) und Sigismund (1427-96) von Habsburg heftige Auseinandersetzungen mit den Eidgenossen um die Rückgabe verloren gegangener Besitzungen, bis Sigismund in der Ewigen Richtung (1474) den Weg zu einer friedl. Regelung bahnte. Sigismunds Verpfändung V.s an das Herzogtum Burgund im Vertrag von Saint-Omer 1469 hätte fast den Verlust der Besitzungen bedeutet, konnte jedoch 1474 rückgängig gemacht werden. Ebenso bedrohl. war der Verkauf der gesamten Vorlande durch Sigismund 1487 an die Hzg. von Bayern, worauf ihn Kg. Maximilian I. mit Hilfe der Tiroler und der vorländ. Stände zum Rücktritt zwang und die Herrschaft selbst übernahm.

Ein Teil des vorderösterr. Adels schloss sich der Reformation an, doch nach dem Dreißigjährigen Krieg war V., auch wegen der Tätigkeit der Jesuiten, die in Konstanz, Rottweil, Rottenburg und Molsheim Kollegien errichteten und die Univ. Freiburg i.Br. übernahmen, ein geschlossen kath. Territorium. Vom Dreißigjährigen Krieg war V. nachhaltig betroffen: Es verlor nahezu ein Drittel seiner Bevölkerung. Nach der Einnahme wesentl. Teile des Elsasses floh die Ensisheimer Regierung 1633 nach Breisach und stellte 1638, nach der Einnahme Breisachs durch den prot. Feldherrn Hzg. Bernhard von Sachsen-Weimar, ihre Tätigkeit ganz ein. Im Westfäl. Frieden mussten die linksrhein. Besitzungen, die im Oñate-Vertrag 1617 der span. Linie der Habsburger übergeben worden waren, gegen den Widerstand Tirols an Frankreich abgetreten werden.

In der 2. Hälfte des 15. Jh. bildeten sich festere Strukturen in den Vorlanden aus. Nach vergebl. Versuchen zu Ende des 14. Jh., den Aargau miteinzubeziehen, gelang es Ehzg. Albrecht VI., die Prälaten, den Adel und die Städte zu Landständen zusammenzuschliessen; diese tagten in Ensisheim oder Freiburg i.Br. In Schwäb.-Österreich und in Vorarlberg entstanden um 1480 ebenfalls Landstände, allerdings ohne Adel und Prälaten. Die Regierung in Ensisheim wurde 1510 von Maximilian I. zur Regierung und Kammer mit einem Landvogt, Kanzler und mehreren Regierungs- und Kammerräten erweitert. Nach 1648 wurden Regierung und Kammer in Freiburg i.Br. neu gebildet. Bereits 1457 hatte Albrecht VI. hier eine Univ. gegr., die zum geistigen Zentrum V.s wurde.

1753 löste die österr. Herrscherin Maria Theresia die vorländ. Besitzungen von der verwaltungsmässigen Unterstellung unter die Tiroler Regierung und bildete eine neue eigene Provinz V. Um 1800 umfasste V. den Breisgau mit den Herrschaften Hauenstein, Laufenburg, Rheinfelden (mit dem Schaffneiamt Frick), Triberg, Kastel- und Schwarzenberg, Kürnberg und Bräunlingen, die Ortenau (seit 1771) sowie die schwäb.-österr. Oberämter der Markgrafschaft Burgau, der Landvogtei Schwaben, der Landgrafschaft Nellenburg und der Grafschaft Hohenberg. Ferner zählten dazu die Stadt Konstanz, die Reichsgrafschaft Tettnang (nach dem Aussterben der Gf. von Montfort 1780) mit Argen, Schomburg und Wasserburg (1755-1805 habsburg.) und die beiden Vogteien Altnau und Eggen im Thurgau. Bis 1782 war Vorarlberg mit den Herrschaften Bregenz, Hohenegg und Hohenems, der Herrschaft Feldkirch und der Herrschaft Bludenz und Sonnenberg der vorderösterr. Regierung unterstellt; danach wurde es dem Gubernium in Tirol zugeordnet. 1782 wurde die linksrhein. in der Pfalz gelegene Reichsgrafschaft Falkenstein, der letzte 1735 verbliebene Teil des lothring. Hausgutes Ks. Franz Stephans von Lothringen, V. zugeordnet. Sitz der vorderösterr. Regierung war 1753-59 Konstanz, 1759-1803 Freiburg i.Br.

Im Frieden von Campoformio (1797) und erneut im Frieden von Lunéville (1801) wurde die Abtretung des Breisgaus und der Ortenau an den Hzg. von Modena beschlossen, aber erst 1803 endgültig vollzogen. Im gleichen Jahr wurde in Freiburg eine breisgau.-modenesische Regierung eingerichtet, die restl. schwäb. Besitzungen der Habsburger - die Oberämter Günzburg, Stockach, Altdorf, Rottenburg, Tettnang mit den Städten Konstanz und Lindau - zur Provinz Schwäb.-Österreich mit dem Regierungssitz in Günzburg zusammengefasst. Das Fricktal wurde der Schweiz 1803 einverleibt. Im Frieden von Pressburg (1805) wurden sämtl. Herrschaften an die neuen dt. Mittelstaaten Baden (D) , Württemberg und Bayern abgetreten. Restitutionsversuche auf dem Wiener Kongress 1814-15, die von zahlreichen Kräften in Süddeutschland unterstützt wurden, scheiterten am Widerstand der österr. Militärpartei.